Es war die öffentlich zelebrierte Hassliebe zweier großer Persönlichkeiten der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts: die Verbindung zwischen dem Schriftsteller Günter Grass und dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Zwei Männer, deren Lebensläufe so völlig unterschiedlich verliefen, die über die Literatur aber trotzdem zueinander fanden und sich lieben und hassen lernten.
Volker Weidermann hat die Lebensgeschichten von Reich-Ranicki und Grass, ihre persönlichen und beruflichen Werdegänge und ihre kollegialen, freundschaftlichen und wuterfüllten Verbändelungen in „Das Duell“ nacherzählt. Linear beginnt er mit der Kindheit und Jugend beider, die vom Zweiten Weltkrieg jeweils auf ganz unterschiedliche Weise geprägt und gezeichnet wurden: Der eine, gebürtiger Pole, macht in Berlin sein Abitur und wird, anstatt studieren zu dürfen, aus dem Land geworfen, weil er Jude ist. Nur durch viele glückliche Zufälle überlebt er als einer von wenigen das Warschauer Ghetto. Der andere, sieben Jahre jünger und in Danzig geboren, will unbedingt in den Krieg ziehen, ist aber zu jung. Erst gegen Ende wird er endlich eingezogen, tritt siebzehnjährig und fest entschlossen der Waffen-SS bei – und wird dies fast sein gesamtes Leben über verschweigen. Erst über 60 Jahre später erzählt Grass davon; da ist er schon längst Literaturnobelpreisträger.
1958 treffen sich beide zum ersten Mal, Günter Grass hat seine Arbeit an der „Blechtrommel“ dort fast beendet, Reich-Ranicki zieht in jenem Jahr nach Deutschland und fasst dort Fuß als Literaturkritiker. Im darauffolgenden Jahr erscheint die „Blechtrommel“ und mit ihr eine vernichtende Kritik von Reich-Ranicki. Der Gongschlag zur ersten Runde in einem Zweikampf, den beide länger als ein halbes Jahrhundert austragen werden.
Gespickt mit vielen kleinen Anekdoten und mit einem umfangreichen Hintergrundwissen erzählt Volker Weidermann, welche Lebenswege und Schicksalsschläge die beiden Männer geprägt haben, auf welchen verschlungenen Wegen sie zueinanderkamen und wie sie sich zeitlebens nicht mehr voneinander lösen konnten. Ihr literarisches Duell fochten sie bis zum Tod aus. Über den manchmal etwas jovialen Ton kann man getrost hinweglesen, denn Weidermann gelingt eine spannende, mal dramatische, mal traurige, mal komische und durchweg interessante Biografie über ein sehr ungleiches Paar, über die Liebe zur Literatur, über ein Stück deutscher Literaturgeschichte und den Umgang mit der Schuld – der kollektiven und der persönlichen.
♠ Volker Weidermann: Das Duell. Kiepenheuer & Witsch 2019, 320 Seiten, gebunden, 22,- Euro. ISBN: 978-3-462-05109-4 ♠