„Und keiner von Euch hatte Recht und keiner Unrecht.“

Syrien im Jahr 2012. Yasmin leitet in einer Stadt im Norden ein geheimes Krankenhaus, das „Freedom Hospital“, in dem verletzte Rebellen versorgt werden. Demonstrationen gegen das Regime sind an der Tagesordnung. Die Zuversicht, dass das Regime bald gestürzt wird, ist anfangs noch vorhanden, schwindet aber bald mehr und mehr. Panzer, Raketen und Luftangriffe zerstören nach und nach jede Normalität in der Stadt.

„Freedom Hospital“ zeichnet die Geschichte mehrerer sehr unterschiedlicher Personen nach, deren Leben miteinander verwoben sind und die einander beeinflussen:

Neben Yasmin ist dort zum Beispiel Yasmins Freundin Sophie. Sie wurde in Damaskus geboren, ist aber bereits im Alter von acht Jahren mit ihrer Familie nach Frankreich ausgewandert, hat dort Politikwissenschaften studiert und ist Journalistin geworden. Nun kehrt sie nach Syrien zurück, um im Geheimen einen Dokumentarfilm über das Freedom Hospital und den syrischen Bürgerkrieg zu drehen.

Da ist außerdem Walid Abu Qatada, ein ehemaliger Taxifahrer, der sich den Rebellen anschließt, schwer verletzt im Freedom Hospital landet und sich den Dschihadisten zugehörig fühlt.

Oder Abu Taysir, der die Verantwortung für die lokale Miliz der Freien Syrischen Armee trägt: Ihm wird vorgeworfen, dass er es hinnimmt, dass im Kampf gegen das Regime auch unschuldige Zivilisten unter den Opfern sind, getötet von der Freien Syrischen Armee.

Oder Zahabiah und Hawal: Sie lieben einander und würden gern heiraten, können dies aber nicht, da Zahabiahs Vater seine Tochter anderweitig verheiraten will.

Wie Puzzlestücke versammeln sich die insgesamt zwölf Charaktere, die zu Beginn der Erzählung vorgestellt werden, um die Geschichte, setzen sich in ihrem Verlauf der Handlung aber nur mühsam zu einem großen Ganzen zusammen. Ohne eine erzählende Stimme, die die Handlung in einen größeren Kontext einordnet, verfolgen wir die Geschehnisse rund um das Freedom Hospital und die Personen, deren Geschichten mit dem Untergrund-Krankenhaus zusammenhängen. Andeutungsweise erkennt man die Konfliktlinien und auch die gesellschaftlichen Korsette, in denen die verschiedenen Charaktere feststecken. Und auch die Verschiedenheit der Fluchtmotivationen wird so angedeutet: mangelnde Zukunftsperspektiven, fehlende Sicherheit durch ständig präsente Gewalt, gesellschaftliche Probleme wie jene von Zahabiah und Hawal.

Die Handlung wirkt teilweise wie zersprengt, Unterhaltungen zwischen den einzelnen Charakteren erscheinen oft sehr oberflächlich und wenig authentisch. Dazu kommt ein teils sehr minimalistischer, wenig detailreicher Zeichenstil. Die einzelnen Personen sind oft nur schemenhaft gezeichnet, sodass man sie manchmal kaum voneinander unterscheiden kann – das macht es bei insgesamt Haupt- und Nebencharakteren nicht gerade einfacher, der Handlung zu folgen.

All das schwächt die Schlagkraft der Graphic Novel zu diesem wichtigen und aktuellen Thema leider deutlich. Erst mit dem Nachwort versteht man die Intention von „Freedom Hospital“ ein wenig besser. „Ich habe beschlossen, Freedom Hospital zu schreiben, um die Situation aus meiner Sicht darzustellen, nicht, um sie zu erklären. Ich versuche nicht, neutral zu sein, und gebe nicht vor, die Realität exakt wiederzugeben, nein, ich musste einfach all das hinausschreien, was mir seit Beginn der Revolution im Hals stecken geblieben war“, schreibt Hamid Sulaiman dort. Sulaimans auf knapp einer Seite zusammengefasste Erläuterungen dazu, welche Absichten er mit der Graphic Novel hatte, wären als Vorwort eindeutig hilfreicher gewesen, auch um beim Leser Irritationen und vielleicht auch Frustration über den wenig stringent erscheinenden Erzählstil zu vermeiden.

„Freedom Hospital“ gewährt einen interessanten Einblick in die Lage in Syrien zu Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2012, geschrieben und gezeichnet von einem Maler und Illustrator, der selbst 2011 von Syrien nach Frankreich geflohen ist. In der drastischen Schilderung von eskalierenden Demonstrationen, Unterdrückung, Folter und Erschießungskommandos, durch die „Stimme aus dem Off“, die allein dafür da ist, Waffen- und Kampfflugzeuge nach Typ und Herstellungsort zu beschreiben und die Zeitangabe mit der Zahl der Toten, die der Krieg in der Zwischenzeit eingefordert hat, zu verbinden, hat „Freedom Hospital“ einige starke Momente. Insgesamt bleibt es aber eine Geschichte, in der fühlbar deutlich mehr Potenzial steckt als tatsächlich herausgearbeitet wird.

♠ Hamid Sulaiman: Freedom Hospital. Hanser Verlag 2017, 288 Seiten, Taschenbuch, 24,- Euro. ISBN: 978-3446255081. ♠

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