Leo Arimond, zum Zeitpunkt der Handlung 17-jährig, schießt beim Fußballtraining über das Spielfeld hinaus und katapultiert den Ball in den nahegelegenen Fluss. Während er versucht, den Ball aus der Strömung zu fischen, treibt ein roter Hut an ihm vorbei und den Fluss hinab, ein Hut, den er sofort als den seiner Bekannten Lia wiedererkennt.
So beginnt die Geschichte um die Bewohner von Kall in der Nordeifel – einem Ort, in dem nicht nur sprichwörtlich der Hund begraben liegt. Leos Eltern sind, nachdem sie die Pacht für ihre Gaststätte nicht mehr zahlen konnten, hoch verschuldet. Da der Vater auf Montage arbeitet und selten zu Hause ist, ist die Stimmung im Hause der Arimonds oft bis zum Zerreißen gespannt. Auch der Bekannten Lia ergeht es nicht besser. Ihre Beziehung zerbricht, sie zieht aus in eine andere Stadt und kommt später mit einem kleinen Kind zurück. Auch die nächste Beziehung, die sie wiederum in Kall beginnt, scheitert.
„Flußabwärts“ ist ein Kammerspiel über das Leben in der Provinz, die Auswirkungen von finanzieller Not auf das Zwischenmenschliche und über zerbrechende Beziehungen. Unvermutet distanziert blickt Leo auf die Vorkommnisse in seinem Elternhaus und schildert alltägliche Szenen häuslicher Gewalt wie ein unbeteiligter Außenstehender.
Norbert Scheuer erzählt unaufgeregt und leise, in einem Ton, der an Erzählungen von Heinrich Böll erinnert. Leider wirkt der Roman insbesondere in der ersten Hälfte eher ziellos, der rote Faden, hauptsächlich in Form des roten Hutes, ist zeitweise nicht wirklich zu erkennen. Die Wechsel zwischen den Erzählzeiten und -perspektiven wirken anfangs wahllos und treiben den Erzählfluss erst in der zweiten Hälfte voran. Der Roman „Überm Rauschen“, der die Geschichte von Leo Arimond später wieder aufgreift, ist ein deutlich stärkeres Werk des Autors.
♠ Norbert Scheuer: Flußabwärts. dtv 2010, 160 Seiten, Taschenbuch, 8,90 Euro. ISBN: 978-3423138772 (Jahr der Erstausgabe: 2002). ♠